Manipulierte Szene

Die Ehrlichkeit des Bildes


Die Wochenzeitung „Die Zeit“ titelte in Ihrer Ausgabe 28/2015 plakativ „Die Macht der Bilder„. Der lesenswerte und diskussionswürdige Artikel, der sich dahinter verbarg, beschäftigte sich mit den Möglichkeiten durch Retusche und moderne digitale Bildbearbeitung Fotografien eine ganz neue und eigene Bildaussage angedeihen zu lassen.

Für mich war dies zunächst der Anlass, meinen eigenen Umgang mit der Fotografie zu reflektieren, dann aber auch ein Ansporn einmal zu schauen, was man denn alles aus einem Bild „herausholen“ kann.

In der Regel versuche ich ein Bild so aufzunehmen, dass nach Möglichkeit keine Nachbearbeitung notwendig ist, und es zu verwenden, wie es aus der Kamera kommt. Aber bereits hier tun sich die ersten Stolperfallen auf. Denn, so gut die Technik auch ist, eine Fotografie kann bis heute nicht die Situation in der gleichen Form wiedergeben, wie das menschliche Auge sie sieht. Da sind zum einen physikalische Grenzen der Kamera, wie z.B. die Darstellung von Kontrasten. Hier haben auch gute Kameras weit weniger Spielraum als das Auge. Zum anderen gibt es die subjektive Wahrnehmung des Betrachters. Ein und dieselbe Szene wird sich im Kopf bei jedem Menschen wahrscheinlich etwas anders abspeichern. Der Fotograf muss sich schon im Moment der Aufnahme für einen Blickwinkel, für eine Perspektive (Brennweite), für den Bereich der Scharf sein soll (Blende), für eine Farbigkeit (Weißabgleich) und für die richtige Belichtungszeit entscheiden. Das Ergebnis ist nur eine der vielen möglichen Interpretationen der Realität.

Folgende Szene habe ich als Schnappschuss in der Hafencity in Hamburg aufgenommen. Das Bild ist bei weitem nicht perfekt: Es zeigt leichte Verwacklungen. Der Vordergrund erscheint zu dunkel, der Hintergrund zu hell. Die Struktur der Wolken ist nur noch zum Teil zu erkennen. Trotzdem hat mir das Bild auf Anhieb sehr gut gefallen, weil es eine eigentümliche Dynamik aufweist. Die Bewegung der beiden Protagonisten wird in durch die Linien der Pflasterung untermalt. Die Lichtsituation erzeugt Dramatik.

Fangen Original

Bild mit Originaleinstellung der Kamera

Da das Bild im Rohdatenformat (sogenanntes RAW-Format) aufgenommen wurde, lässt sich das Ergebnis im Nachhinein durchaus noch moderat verändern, indem Bildinformationen hervorgehoben werden, die vorhanden sind, aber aktuell nicht sichtbar. So kann man zum Beispiel die Belichtung des vorderen Bereiches noch optimieren, damit hier mehr Details sichtbar werden. Aber auch bei dieser Anpassung muss man sich für einen Kompromiss entscheiden, da sie sich auf das gesamte Bild auswirkt und eben nicht nur auf die untere Hälfte.

Fangen korrigiert

Leicht Korrekturen an den Helligkeits- und Farbwerten bringen Details besser zur Geltung.

Der Gesamteindruck des Bildes ist immer noch dunkel. Die Zeichnung der Wolkenstruktur geht weitgehend verloren. Die Bildmitte bleibt überstrahlt. Wählt man eine mehr auf die Wolken optimierte Korrektur der Helligkeit und der Kontraste, so kann man sehen, was eigentlich noch an Informationen im Bild steckt:

Optimierte Wolkenlandschaft

Die Wolken wirken weit dramatischer mit dieser Belichtungskorrektur.

Um die Dramatik des Wolkenbildes zu erhalten und dennoch die Szene im Vordergrund aufzuhellen, musste ich tiefer in die Trickkiste greifen. Ich habe also zwei Versionen des Bildes erzeugt und übereinander gelegt. Eine Version betont mehr den Himmel, die andere mehr die Szene im Vordergrund. Im Bildbearbeitungsprogramm habe ich dann Beides zu einer Szene zusammengeführt.

Manipulierte Szene

Dieses Bild entstand durch Zusammenführen zweier unterschiedlich belichteter Bildversionen.

Ist dieses Ergebnis nun Manipilation? Sicher ja. Enthält es Informationen die vorher nicht im Bild waren? Nein. Würde der Betrachter, der dabei war, sagen, so ist es gewesen? Ich denke schon. Aber trotzdem bin ich vorsichtig mit solchen Manipulationen. Da ich sie nicht in journalistischem Sinne verwende habe ich zum Glück nur begrenzt die Notwendigkeit sie zu rechtfertigen. Denn am Ende zählt für mich als Künstler hauptsächlich ob ich mit dem Ergebnis zufrieden bin.

Diese Bildbearbeitung zeigt nun nur einen ganz kleinen Ausschnitt dessen, was möglich ist. Und das Wissen darum, hilft mir vorsichtig zu sein bei der Beurteilung dessen, was ich an Bildern um mich herum wahrnehme.

Übrigens, neulich, da habe ich ein Stück eines Krans aus einer Skyline wegretuschiert, weil es den Gesamteindruck des Bildes störte. Ups ….